Am 17. März 2003 um zwei Uhr Morgens
wurden alle benachbarten Häuser sowie das gesamte Gebiet
eingekesselt. Um 2.45 Uhr sprengten sie die Eingangstür und
schossen sofort los. Im Haus leben vier Kinder, elf, acht
und fünf Jahre sowie neun Monate alt. Die Soldaten forderten
alle Einwohner des Hauses mit lauter Stimme auf, das Haus zu
verlassen. Wir sagten: in diesem Haus leben Kinder. Wie
sollen wir hinausgehen, während ihr schießt?
->> Abed Othman:
Festnahme von Hussam Khader
Hussam Khader der
Folter ausgesetzt
Ahmed Qurie,
Palestinian Legislative Council: Stellungnahme
PETITION
Wir, die arabischen und
europäischen Intellektuellen, die an den
Veranstaltungen DisORIENTation teilnehmen, erklären
hiermit unseren Protest gegen die Verhaftung des
palästinensischen Parlamentsmitglieds Hussam Khader am
17.03.2003 durch die israelische Besatzungsmacht. Seit
seiner Verhaftung ist er starker psychischer und physischer
Folter ausgesetzt.
Hussam Khader ist das
zweite Mitglied des palästinensischen Legislativrates nach
Marwan Barghuti, der verhaftet wurde. Diese Verhaftung
verstößt gegen internationales Völkerrecht sowie gegen alle
Abmachungen, die die Rechte der Zivilbevölkerung unter der
Besatzung schützen. Sie verstößt auch gegen die Abmachung
zwischen der palästinensischen Autonomiebehörde und der
israelischen Regierung.
Wir appellieren an die
europäischen und deutschen Parlamentarier, ihrer
Verpflichtung nachzukommen, sich dafür einzusetzen, Hussam
Khader, Marwan Barghuti und alle politischen Gefangenen
freizulassen.
Berlin, 22.03.2003
* * *
FESTNAHME VON HUSSAM KHADER
In der Nacht zum 17. März 2003 hat
die israelische Armee meinen Bruder Hussam Khader, einen
Abgeordneten des palästinensischen Parlaments, verhaftet.
Es ist nicht das erste mal, dass das
israelische Militär einen Abgeordneten des palästinensischen
Parlaments verhaftet - zuvor fiel ihre Wahl auf den
Abgeordneten Marwan Al Barghouti. Die Inhaftierung von
Hussam Khader geschieht nun als eine Art neue, nicht
unbedeutende Anspielung im Zusammenhang mit der Ernennung -
der amerikanisch-israelischen Forderung entsprechend - von
Mahmoud Abbas als palästinensischen Ministerpräsidenten.
Hussam Khader ist vor allem für seinen
Einsatz für Menschenrechte bekannt, sowie für seine gewagten
Stellungnahmen im Kampf gegen Korruption. Erwähnenswert sind
auch seine Anstrengungen auf dem Gebiet des Widerstandes
gegen die israelische Besatzung und sein Beharren auf eine
Fortsetzung dieses Widerstandes. Hussam Khader war der erste,
der aufgrund seiner führenden Rolle während der ersten
Intifada seine palästinensische Heimat verlassen musste, er
wurde am 13. Januar 1988 ins Exil geschickt.
Damals stellte seine Verbannung einen
Höhepunkt in einer langen Reihe von Festnahmen und
Inhaftierungen dar - 25 waren es genau. In seinem Exil in
Tunesien wurde er zum Abgeordneten des palästinensischen
Exilparlaments. Er war einer derjenigen, die er nach dem
Oslo-Abkommen nach Palästina zurückkehrten, wo er zum
Abgeordneten des neuen Parlaments gewählt wurde - von den
Kandidaten der Region Nablus erzielte er den zweitgrößten
Stimmenanteil - als unabhängiger Kandidat ausserhalb der
Liste der Fatah-Organisation, deren Mitglied er ebenfalls
war. Eine seiner Initiativen, die auf Begeisterung seitens
des palästinensischen Volkes stießen, war die Gründung des "Vereins
zur Verteidigung der Rechte der palästinensischen
Flüchtlinge". Sein Verein bestand auf das Recht auf Rückkehr
der palästinensischen Flüchtlinge als Teil eines jeden
Friedensabkommens mit Israel. Ausserdem gründete er das
Jaffa-Kulturzentrum im Flüchtlingslager Balata bei Nablus,
ein Zentrum, dessen kulturelle und politische Aktivitäten
zahlreiche Jugendliche und Kinder miteinbezogen.
Hussam Khader wurde in der Nacht zum 17.
März 2003 in seiner Wohnung im Flüchtlingslager von Balata
verhaftet. Wir konnten seine Schwester telefonisch erreichen,
die seine Festnahme wie folgt schilderte:
Um zwei Uhr Morgens wurden alle
benachbarten Häuser sowie das gesamte Gebiet eingekesselt.
Um 2.45 Uhr sprengten sie die Eingangstür und schossen
sofort los. Im Haus leben vier Kinder, elf, acht und fünf
Jahre sowie neun Monate alt. Die Soldaten forderten alle
Einwohner des Hauses mit lauter Stimme auf, das Haus zu
verlassen. Wir sagten: in diesem Haus leben Kinder. Wie
sollen wir hinausgehen, während ihr schießt?
Ghassan, mein anderer Bruder, befand
sich in seiner Wohnung im dritten Stock. Seine Tochter ist
neun Monate alt. Sie schrieen ihn an, während er zu betonen
versuchte, dass wir doch nur Zivilisten sind. Ob sie sich
denn nicht etwas gedulden könnten, denn alles war voller
Rauch. Sie hatten ja geschossen und die Eingangstür
gesprengt, die dadurch entstandene Staubwolke machte es ihm
unmöglich, nach unten zu gehen. Die Soldaten schrieen ihn
weiter an, gingen auf ihn zu und bedrohten ihn mit ihren
Waffen. Sie zwangen ihn dazu, seine Kleidung abzulegen.
Um 3.45 Uhr gingen wir zu den Nachbarn
hinüber, wir konnten mit den Kindern doch nicht die ganze
Zeit auf der Straße stehenbleiben. Wir mussten uns zusammen
mit unseren Nachbarn in einem Zimmer versammeln, durften
kein Licht anmachen, nicht mal aufstehen, um was zu trinken
oder unseren durstigen Kindern was zu trinken zu geben.
Hhssam trat ein, rief nach unserer Mutter und sagte ihr, das
sie ihn festnehmen wollten. Wir standen auf, zusammen mit
seinen zwei Töchtern und seinem Sohn, um uns von ihm zu
verabschieden. Ein Soldat zog ihn daraufhin gewaltsam an der
Schulter, ein anderer verpasste ihm einen Hieb auf den Kopf.
Wir zeigten keinerlei Reaktion, wir umarmten ihn und
verabschiedeten uns.
Das Haus wurde natürlich beschädigt. Sie
schossen auf die Schränke - die natürlich geschlossen waren
- ohne hineinzusehen. Auf allen drei Geschossen dasselbe
Szenario. Das Bad, das Zimmer von Hussams Kindern, Gefäße
und Kleidung sind vom Schießpulver verrußt. So einiges wurde
von Feuer und herumfliegendem Splittern in Mitleidenschaft
gezogen.
Sie fragten ihn: Bist du Hussam Khader.
Er antwortete mit ja. Wo arbeitest du? Er antwortete: im
Parlament. Sie nickten einander zu, ja, das ist der Mann,
den wir suchen. Hossam fragte: ihr seid auf der Suche nach
mir? Ihr hättet ja auch klingeln können wie normale Menschen.
Sie sagten: komm, komm, dort wirst du alles erfahren. Sie
haben uns nichts genaueres wissen lassen. Nur, dass sie
Hussam Khader festnehmen wollen.
Es wird schwer sein - selbst für seinen
Anwalt oder das Rote Kreuz - innerhalb der ersten 72 Stunden
nach der Festnahme irgend etwas über seinen Verbleib zu
erfahren, oder darüber, wie es weitergehen wird.
Abed Othman
Heute, am
24.03.2003, durfte der Rechtsanwalt Raed Mahamid seinen
Mandanten Hussam Khader eine Stunde lang besuchen. Hussam
wird von Israel beschuldigt, mit Geldern aus dem Iran die
Al-Aqsa Brigaden zu unterstützen. Sie begründen ihre
Anschuldigungen damit, dass ein von ihm gegründetes
Kulturzentrum an Festtagen, nach arabischem Brauch, Almosen
an die ärmsten Familien des Flüchtlingslagers Balata
verteilt. Zu diesen Familien gehören oft auch die
Angehörigen von Kämpfern, die selbst oft aus ärmlichen
Verhältnissen stammen. Hussam erzählte seinem Anwalt beim
heutigen Besuch folgendes:
Seit seiner Verhaftung am 17. März wurde
er durchgehend am Schlafen gehindert und ständig aufs neue
verhört. Wenn er sich in seiner 2 qm großen Zelle befindet,
verhindern seine Aufpasser durch ständige Störungen, dass er
sich ausruhen oder schlafen kann. Man gewährt ihm jeden Tag
nur 20 Minuten Zeit, um zu essen. Oft wird er zu Verhören
aus seiner Zelle geholt und dann an Armen und Beinen an
einen Stuhl gefesselt, so dass er die ganze Zeit in der
selben Position sitzen muss. Er wird dabei ständig mit
abscheulichen Worten beschimpft und damit bedroht, dass
seiner Familie etwas zustoßen könnte, wenn er nicht gesteht.
Hussam schweigt und verweigert die Aussage. Da Israel laut
einem Abkommen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde
nicht das Recht hat Diplomaten zu verhaften, die wie er
Immunität genießen, droht er nun mit Hungerstreik. Dies
würde für ihn ein sehr hohes Risiko beinhalten, da er schon
seit einem Jahr unter Herz-Rythmusstörungen leidet. Nach
seiner Untersuchung durch einen israelischen Militärarzt,
hat er dafür Medikamente verschrieben bekommen.
Sein Anwalt Raed Mahamid sagt, dass
Hussams Moral ihm in ihrem Gespräch trotz der
offensichtlichen Erschöpfung immer noch sehr hoch erschien.
Hussam war schon in der letzten Intifada wiederholt
verhaftet und sogar deportiert worden.
An den Sprecher
Am Montag Morgen, dem 17.3.2003,
verhafteten Mitglieder der Israelischen Besatzungsarmee das
Parlamentsmitglied und Vorsitzenden des Komitees für die
Verteidigung der Rechte Palästinensischer Flüchtlinge,
Hussam Khader, in seinem Haus im Flüchtlingslager Balata bei
Nablus. Sie handelten hierbei gegen seine politische
Immunität und seine, durch Internationales Recht
festgelegten, Menschenrechte. Herr Khader war 1996
demokratisch als Repräsentant des Bezirks Nablus in das
Palästinensische Parlament gewählt worden, und er ist einer
der Pioniere die sich für den Friedensprozess und die
Freiheit und Unabhängigkeit der Palästinenser eingesetzt
haben. Er hat immer betont, wie wichtig es sei, einen
gerechten und dauerhaften Frieden zu schaffen.
Die israelische Regierung hat Herrn
Khader aus den Besetzten Gebieten in das Gefangenen Lager in
Petah Tikvar gebracht, womit sie gegen Internationales Recht
verstoßen haben. Wir befürchten, dass man ihm während der
illegalen Verhöre das Recht auf einen Anwalt verweigern
könnte, und ihn Misshandlungen oder Folter aussetzen könnte,
wie Tausende andere palästinensische Gefangene zuvor.
Das Palästinensische Parlament
verurteilt diesen Akt aufs schärfste, da er zu mehr Gewalt
führen wird, und die internationalen Bemühungen aus der
gegenwärtigen, festgefahrenen Lage herauszufinden behindern
wird. Wir machen die israelische Regierung für Herrn Khaders
Sicherheit verantwortlich und fordern seine sofortige
Freilassung.
Um die Prinzipien der Demokratie, der
politischen Immunität und der Menschenrechte aufrecht zu
erhalten, ruft das Palästinensische Parlament Sie, Eure
Exzellenz, dazu auf, die Verhaftung des Parlamentariers
Khader zu verurteilen, und die israelische Regierung
anzuhalten, ihn sofort freizulassen.
Das Palästinensische Parlament ruft alle
parlamentarischen Institutionen dazu auf, sofort zu
reagieren, falls die israelische Regierung sich weigern
sollte, den Parlamentarier Khader freizulassen.
Eure Exzellenz, bitte akzeptieren sie
unsere tiefste Dankbarkeit für Ihre anhaltende Unterstützung
und Bemühungen.
Hochachtungsvoll,
Ahmed Qurie (Abu Ala)
Sprecher
Palestinian Legislative Council
(Palästinensisches Parlament)
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